Am 17. September 2019 fand die 15. Jahrestagung des Münchner Finance Forum e.V. im Audimax der TU München statt. Knapp 500 Gäste diskutierten mit 5 Referenten zum Thema „Mensch. Maschine. Megatrends“.
Den ersten Vortrag hielt Dr. Helmut Schönenberger zum Thema „München – ein Paradies für Technologie-Startups?!“. Als Geschäftsführer der UnternehmerTUM GmbH betreut er jährlich 70-80 Technologie Start-Ups aus dem Umfeld der TU München. Seit 1990 gab es knapp 1000 Ausgründungen. 9 der 50 erfolgreichsten Deutschen Tech Startups kommen aus dem Umfeld der TU München. Obwohl Venture Capital in Deutschland nur 0,03% des jährlichen Bruttosozialprodukts ausmacht und ihm Vergleich zu Start-Up Nationen USA (0,33%) oder Israel (0,38%) sehr rückständig ist, entstehen in München trotzdem beeindruckende „Einhörner“ mit einer Marktkapitalisierung über 1 Mrd. US-Dollar (Celonis, Flixbus, Wirecard, Interhyp u.a.). Hinter der UnternehmerTUM GmbH steht die Unternehmerin Susanne Klatten, die frühzeitig das große Potential des Standorts München für Tech Startups erkannt hat. Seit Gründung des Unternehmens im Jahr 2002 wächst die UnternehmerTUM jährlich um 25%.
Den zweiten Beitrag „Was verändert die Digitalisierung in der Krankenversicherung?“ präsentierte Dr. Roman Rittweger, CEO und Gründer der ottonova AG. Der Firmenname ottonova erinnert an den Erfinder der Krankenversicherung Otto von Bismarck. Dessen Idee soll nun völlig digital neu erfunden werden. Passenderweise hat das Unternehmen seinen Firmensitz in der Ottostraße. Sämtliche Geschäftsprozesse sind über eine App abgebildet. Im Bereich Onboarding und Underwriting werden Neukunden direkt über einen Fragenkatalog gewonnen. Der Concierge Service vereinbart Arzttermine und kann daher Kostenvorteile gegenüber klassischen Versicherern erzielen. Weil die Versicherten 10% von jeder Rechnung selbst bezahlen, haben alle ein Interesse an einem effizienten Prozess, was zu entsprechend günstigeren Konditionen führt. Der Bereich Claims Management und Dokumentation wickelt die Erstattung innerhalb von 24 Stunden ab. Das Unternehmen agiert gleichermaßen als vollständige Versicherung und auch als Software-as-a-Service Anbieter für White Labeling Kunden.
Nach der Mittagspause präsentierte Markus Eichinger, Executive Vice President Group Strategy bei Wirecard, „Die Zukunft des Geldes – Wie bezahlen wir in 10 Jahren?“. Die Entwicklung des Geldes ist eine Geschichte der Dematerialisierung von Geld. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Digitalen Bezahlmethoden, unter anderem die App Boon von Wirecard. In der westlichen Welt haben die meisten Apps die großen Kreditkarten hinterlegt und bieten somit ein Bezahlen ohne Plastik, aber über das etablierte Netzwerk an. In China gab es kaum Kreditkarten, so dass ich dort schnell über die großen Digitalkonzerne Alibaba oder Tencent Zahlungsmethoden entwickelt haben. Die Kreditkarte wurde in Asien sozusagen übersprungen. In der westlichen Welt besteht die große Herausforderung darin, die fehlende Integration vieler isolierter Kanäle nachzuholen, die in China durch die IT-Giganten mitgeliefert wird. Zahlungsakzeptanzstellen am Point of Sale (Acquirer) können die Kunden nicht gut ansprechen, weil jeder Kunde eine eigene Zahlkartenherausgabe (Issuer) und damit eigene Kundenkarten und Bezahlkarten hat. Weltweit erfolgen erst 15-20% aller Zahlungen elektronisch, und davon lediglich 8-10% vollständig digitalisiert. Der Markt für den Zahlungsverkehr bietet daher riesige Wachstumschancen. Der Hauptkonkurrent von Wirecard ist nicht Apple Pay oder Alipay, sondern Cash.
Anschließend zeigte Prof. Dr. Thorsten Hens von der Universität Zürich „Robuste Anlagestrategien im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine“. Sein Forschungsfeld ist die „Evolutionary Portfolio Theory“, die sich mit der Entwicklung erfolgreicher Strategien beschäftigt. Während Maschinen heute Backtests und Stresstests berechnen können, können Menschen den Impacttest („Was passiert, wenn viele eine Strategie nutzen?“) und den Reflexivitätstest („Wer ist auf der anderen Seite des Marktes?“) durchführen. Menschen können hinterfragen, wie lange Verlierer die Überrenditen der Gewinner bezahlen und wann sie ihr Verhalten ändern. Diese Ebene ist langfristig besonders wichtig und kann bis auf weiteres nicht von Computern berechnet werden.
Den Schlussvortrag hielt Dr. Dirk Schumacher (Head of European Macro Research) zum Thema „De-Globalisation: A Steady Headwind in the Coming Years“. Er zeigt auf, dass die weltweite Finanzkrise eine Zäsur für den Welthandel war. Die Wachstumsraten der weltweiten Exporte war bis 2008 in etwa doppelt so hoch wie nach der Lehman-Krise. Die weltweit integrierten Wertschöpfungsketten leiden darunter, weswegen auch die Produktivitätszuwächse geringer sind. Die demographischen Veränderungen belasten zudem das Wachstum. In diesem Umfeld ist der Handelsstreit zwischen China und den USA eine große Belastung. Trotz dem absehbaren Gegenwind ist die Weltwirtschaft aktuell jedoch noch auf Wachstumskurs.